In den letzten Beiträgen habe ich über die beiden wichtigsten Fixpunkte der Internationalen Temperaturskala von 1990 (ITS-90) berichtet, den Wassertripelpunkt und den Galliumschmelzpunkt. Dieser Eintrag widmet sich der Frage, warum Temperatur-Kalibrierlaboratorien, die mit Widerstandsthermometern arbeiten, am besten beide Fixpunkte haben sollten. Das gilt sowohl für den Gebrauch von Normal-Platinwiderstandsthermometern (SPRT), als auch für hochstabile industrielle Platin-Arbeitsnormalwiderstandsthermometer (IPRT).

Die Problematik
Ein Thermometer, das in einem akkreditierten Labor kalibriert wurde, muss regelmäßig, etwa einmal pro Jahr, zur Nachkalibrierung an ein akkreditiertes Labor gegeben werden. Dem Thermometer und den kleinsten angegebenen Messunsicherheiten sollte in der Zwischenzeit jedoch nicht blind vertraut werden.

Denn, was geschieht mit dem Thermometer in der Zeit zwischen den Kalibrierungen? Das Thermometer könnte vom akkrditierten Labor zum Anwender falsch transportiert worden sein. Eine Konsequenz daraus wären beispielsweise gedriftete Werte. Doch auch im Verlauf der Zeit können die Werte durch den Gebrauch des Thermometers driften.

Wird diese Drift vom Anwender nicht bemerkt, sondern erst bei der nächsten Nachkalibrierung, sind alle Messungen zwischen den beiden externen Kalibrierungen nichtig und der Anwender verpflichtet, all seine Kalibrierungen zurückzurufen und zu wiederholen. Der Rückruf von durchgeführten Kalibrierungen ist der Albtraum eines jeden Kalibrier-Ingenieurs. Denn eine Kalibrierung hat viel mit Vertrauen zu tun und ist dieses einmal verspielt, ist schwer wieder zu erlangen.

Überprüfung am Wassertripelpunkt
Ein Thermometer sollte stets, wenn es von der Nachkalibrierung zurückkommt, am Wassertripelpunkt überprüft und die gemessenen Werte mit dem Zertifikat verglichen werden. Danach sollten weiterhin in regelmäßigen Intervallen Tests bis zur nächsten Nachkalibrierung stattfinden. Die, bei den Überprüfungen des Thermometers, gemessene Werte sollten notiert und verglichen werden. Ändern sich diese Werte, weiß der Anwender, dass sich das Thermometer nicht mehr so verhält, wie vom akkreditierten Labor zertifiziert.

Ohne Galliumfixpunkt
Hat der Anwender keinen Galliumfixpunkt, kann er den Fehler nicht charakterisieren und muss dann das Thermometer vorzeitig an ein Labor schicken, das die Änderung der Messwerte genauer untersuchen kann. Dieser Vorgang kostet natürlich Zeit und bringt den Anwender mit seinen Aufträgen in Verzug.

Mit Galliumfixpunkt
Vorteil im Akutfall
Existiert jedoch ein Galliumfixpunkt, verliert der Anwender nicht so viel Zeit, da er das Thermometer selber genauer untersuchen kann. Vereinfacht gesagt, kann er feststellen, ob das Thermometer kaputt oder „nur“ gedriftet ist. Stehen nämlich ein Gallium- und ein Wassertripelpunkt zur Verfügung, kann man den WGa-Wert ermitteln. WGa ist das Ergebnis des Widerstandswertes am Galliumpunkt geteilt durch den Widerstandswert am Wassertripelpunkt. Der W-Wert wird in erster Linie über die Zusammensetzung des Platindrahtes beeinflusst. Physikalischer Stress erhöht den Widerstandswert beim Wassertripelpunkt und beeinflusst damit den W-Wert. Sieht man eine Veränderung des W-Wertes, muss das Normal-Thermometer getempert werden. Eine Temperung, auch Alterung genannt, reduziert den Wassertripelpunkt-Widerstandswert und bringt das Thermometer auf den originalen W-Wert zurück. Ein gedriftetes Thermometer kann also meistens durch eine Temperung und einer sich anschließenden Kontrolle am Wasserpunkt wieder verwendet werden.

Vorteil gewonnener Zeit
Die regelmäßige Überprüfung von Thermometern am Wassertripelpunkt und am Galliumschmelzpunkt erhöht das Vertrauen in die verwendeten Thermometer und erlaubt somit die Rekalibrierungs-Perioden statt jährlich auf einen mehrjährigen Zeitabstand auszudehnen. Die Kosten für den zusätzlichen, eigenen Fixpunkt rechnen sich recht schnell.

Ein weiterer Vorteil
Da der Wassertripelpunkt und der Galliumpunkt so präzise darstellbar sind, kann man diese beiden Punkte auch dazu benutzen, den Zink- und sogar den Aluminiumpunkt innerhalb einer Toleranz von 4mK zu berechnen. Das ermöglicht dem Anwender die gesamte Kennlinie des Thermometers zu berechnen.